Medizinisches Cannabis

Fragen und Antworten zu Cannabis als Arzneimittel aus Ihrer Apotheke

1. Wie erhält man Cannabis auf Rezept?

Vor dem Inkrafttreten des neuen „Cannabis-Gesetzes“ im März 2017 gab es in Deutschland etwa 1.200 schwer kranke Menschen, die sich eine Ausnahmegenehmigung bei der Bundesopiumstelle einholen konnten. Die neue Gesetzgebung erleichtert es Ärzten, schwer kranken Patienten medizinisches Cannabis sowie Zubehör wie Vaporisatoren auch erstattungsfähig zu verschreiben.

 

2. Bei welchen Beschwerden wird medizinisches Cannabis angewendet?

Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, einzelne Indikationen aufzuführen. Cannabisblüten und -extrakte können daher für jede Indikation verordnet werden, wenn „eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung im Einzelfall nicht zur Verfügung steht“ oder wenn diese Leistung „im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann“.

Die Wirksamkeit einer Cannabis-Therapie muss somit in jedem Einzelfall durch einen Arzt geprüft und die Dosis bestimmt werden.

Als etablierte Indikationen für cannabisbasierte Medikamente gelten chronische – insbesondere neuropathische – Schmerzen, Clusterkopfschmerz, Spastik und schmerzhafte Muskelverspannungen bei MS, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen (auch Übelkeit und Erbrechen, welche durch Medikamente wie Opiate und Zytostatika ausgelöst sind). Aber auch bei vielen weiteren entzündlichen Erkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa und manchen psychiatrischen Erkrankungen wird Cannabis gemäß Literatur angewendet.

 

3. Welche Wirkung hat Cannabis?

Cannabis wirkt über die körpereigenen Cannabinoidrezeptoren. Stark vereinfacht lässt sich der Wirkmechanismus so erklären: Die Endocannabinoide/ Cannabinoide wie THC modulieren u.a. die Neurotransmitterkonzentration (z.B. Acetylcholin, Dopamin, Serotonin, Gaba, Noradrenalin) im zentralen und vegetativen Nervensystem, in dem Sie bei einer zu hohen Neurotransmitteraktivität hemmend auf die jeweiligen Neurotransmitter wirken. Im Immunsystem werden den Cannabinoiden entzündungshemmende Eigenschaften durch Hemmung der Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen wie TNF-Alpha und IFN-Gamma nachgesagt.

 

4. Wann kann ein Patient mit Cannabis behandelt werden? Wann übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Kosten?

Da Cannabis in Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes aufgenommen wurde, kann ein Arzt Cannabis für Selbstzahler grundsätzlich verschreiben.

Die Kostenübernahme einer Cannabistherapie durch die gesetzlichen Krankenkassen regelt § 31 Absatz 6 SGB V.

Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1.            eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung

a)            nicht zur Verfügung steht oder

b)            im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,

2.            eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.

Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden.

Der behandelnde Arzt kann bis zu 100g Cannabisblüten im Monat verordnen. Dies ist unabhängig davon, wieviel THC-Gehalt eine Blütensorte aufweist, d.h. es ist möglich verschiedene Sorten zu verordnen.

 

5. Welche Cannabissorten können medizinisch angewendet werden?

In Deutschland sind verschiedene Blütensorten zugelassen. Ein Anbau von Cannabis in Deutschland ist derzeit vom Bundesinstitut für Arzneimittel noch in der Planung. Das medizinische Cannabis wird daher derzeit überwiegend aus Holland und Kanada importiert. Die von dort stammenden Sorten haben standardisierte THC- und CBD-Gehälter. 

Außerdem gibt es verordnungsfähige Cannabiszubereitungen wie z.B. Dronabinol-Lösungen oder Kapseln.

 

6. Welche Nebenwirkungen können Cannabisarzneimittel haben? Kann man von Cannabis abhängig werden?

Bei Anwendung in niedrigen medizinischen Dosen können u.a. folgende Nebenwirkungen auftreten: Unruhe, Angst, hoher Puls, Mundtrockenheit, Schwindel, Verringerung des Reaktionsvermögens und Müdigkeit, Euphorie.

Bei einer schweren Persönlichkeitsstörung, Psychose und schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollte Cannabis nicht verordnet werden. Gleiches gilt bei Schwangeren und stillenden Müttern. Bei Jugendlichen kann Cannabis nachweislich zu einer Störung der Gehirnentwicklung und auch zu einer erhöhten Ausbildung von Psychosen zu einem späteren Zeitpunkt führen, weshalb hier ebenfalls kein Cannabis verordnet werden sollte.

Bei weiteren Fragen zu Risiken oder Nebenwirkungen kontaktieren Sie bitte Ihren Arzt oder Ihre Apotheke.

 

7. Wie wird medizinisches Cannabis angewendet?

Cannabisblüten können inhalativ mit einem Verdampfer/ Vaporisator oder oral in Form eines Tee eingenommen werden. Ebenso können Apotheken Cannabisextrakte herstellen, welche auf einen bestimmten THC-Gehalt eingestellt sind.

Ebenso ist die orale Einnahme durch Tee möglich. Die Teezubereitung ist für die Patienten etwas schwierig, da es auf Grund der nötigen Decarboxyilierung und der schlechten Wasserlöslichkeit des THCA/ CBDA viel Erfahrung benötigt, um täglich reproduzierbare Ergebnisse der Cannabisteezubereitung zu erzielen.

 

8. Was wirkt besser? Die Inhalation von Cannabisblüten oder die orale Einnahme als Cannabis-Extrakt?

Die Inhalation hat den großen Vorteil, dass es sehr gut dosierbar ist. Darüber hinaus tritt die Wirkung schon nach weniger als einer Minute ein und hält ca. 2 bis 3 Stunden an. Nachteil ist ein kurzzeitig sehr hoher Wirkstoffspiegel im Blut und die generell nur kurze Wirkungsdauer von ca. 2-3 Stunden. Bei der oralen Einnahme  von Cannabis-Extrakt/Tinktur oder Tee dauert es ca. 30 bis 90 Minuten bis die Wirkung eintritt. Dafür ist die Wirkungsdauer bei oraler Einnahme auf Grund von wirksamen aktiven Metaboliten wesentlich länger und liegt je nach Magenfüllung zwischen fünf und neun Stunden.

 

9. Wie hoch wird Cannabis dosiert?

Generell wird die Dosis langsam nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt bis zur therapeutisch wirksamen Menge gesteigert. Die benötigten Cannabismengen sind je nach Patient und Indikation sehr unterschiedlich. Wichtig zu wissen ist, dass die therapeutisch wirksame Dosis immer deutlich unter der psychoaktiven Dosis liegen muss und in der Regel auch liegt.

 

10. Welche Cannabisblüten und Cannabisextrakte sind aktuell verfügbar?

Die Lieferfähigkeit der Blüten und Extrakte wird täglich aktualisiert. Teilweise gibt es derzeit bei einzelnen Blütensorten auf Grund der hohen Nachfrage in  Deutschland Lieferschwierigkeiten. Bitte erkundigen Sie sich in der Apotheke, welche Blüten und Blütenextrakte lieferbar sind.

 

11. Was macht die Apotheke mit Cannabisblüten? Wie können die Patienten beraten werden?

Zunächst prüft die Apotheke die Identität  im Labor:

Wenn die Cannabis-Blüten in der Apotheke eingetroffen sind, werden  sie zunächst auf Identität mittels Dünnschichtchromatographie, nasschemischer Methoden und Mikroskopie gemäß Arzneibuch geprüft. Zudem wird die Qualität anhand des Prüfzertifikates kontrolliert. Dies ist sehr wichtig, damit immer sichergestellt werden kann, dass die Patienten nur qualitativ reine Cannabisblüten mit dem vorgeschriebenen Gehalt an THC und je nach Blütensorte auch CBD enthalten.

Ist die Identität sichergestellt, werden in der Apotheke bei niedriger Temperatur die Cannabisblüten fein geschnitten und gesiebt. Dies ist nötig damit der Patient die Cannabisblüten mit einem Dosierlöffel volumetrisch immer genau gleich dosieren kann. Es gibt z.B. einen Dosierlöffel, der gestrichen gefüllt bei optimaler Vermahlung immer genau 100 mg Blüten enthält. Alternativ kann der Arzt die Cannabisblüten auch im unzerkleinerten Zustand verordnen und der Patient vermahlt die Blüten vor der Anwendung selbst. Die Apotheke kann die entsprechende Dosis aber auch jeweils abpacken.

 

 

Deutsche Apotheker Zeitung, 2017, 8, Cannabis in der Apotheke

Deutsche Apotheker Zeitung,  2017, 10,  Cannabis als Medizin

Cannabis: Arbeitshilfe in der Apotheke, Häußermann/Grotenhermen, Deutscher Apotheker Verlag 2017, 1. Auflage

Cannabis: Verordnungshilfe für Ärzte, Grotenhermen/Häußermann, Deutscher Apotheker Verlag 2017, 2. Auflage

Deutsches Ärzteblatt 2017; 114(8): Medizinisches Cannabis: Die wichtigsten Änderungen 

Apotheker Zeitung Nr. 48, 26.11.2018: Grünen wollen Cannabistherapie erleichtern